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LNDW Pocast, Folge 11, von links: Prof. Dr. Bernd Rech, Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Dr. Wolfgang Haupt, Thomas Prinzler, Gruppenfoto vor dem Gebäude des Helmholtz Zentrum Berlin, Standort Adlershof. Foto: LNDW/LHLK 2021

(von links): Prof. Dr. Bernd Rech, Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Dr. Wolfgang Haupt, Thomas Prinzler. Foto: LNDW/LHLK 2021

"Wie dem Klimawandel begegnet werden kann" (Folge 11)

Expertinnen und Experten ist schon lange klar: Wir stecken mitten im Klimawandel, den wir als Menschheit selbst verursacht haben. Klar ist auch, dass wir den Klimawandel nicht mehr werden aufhalten können. Wie stark er ausfallen wird, wie wir mit seinen Folgen umgehen, was wir jetzt und in der Zukunft besser machen können, hängt davon ab, welche neuen Lösungen wir finden. In den Wissenschaften beschäftigen sich viele unterschiedliche Disziplinen mit dieser Frage.

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In der 11. Folge des LNDW-Podcasts geben wir einen Einblick in die Vielfalt der Forschungsansätze mit …

Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, sie forscht am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) und leitet das Fachgebiet "Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung in der Elektronik" an der TU Berlin.

Dr. Wolfgang Haupt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) und forscht zur Frage, wie Kommunen ihre Klimapolitik gestalten.

Prof. Dr. Bernd Rech ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz Zentrums Berlin (HZB). Er ist Experte für erneuerbare Energien und koordiniert die Beiträge und Projekte zur Energieforschung der Helmholtz-Zentren. 

LNDW Pocast, Folge 11, von links: Prof. Dr. Bernd Rech, Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Dr. Wolfgang Haupt, Thomas Prinzler, Gruppenfoto vor dem Gebäude des Helmholtz Zentrum Berlin, Standort Adlershof. Foto: LNDW/LHLK 2021
Prof. Dr. Bernd Rech. Foto: LNDW/LHLK 2021

Technologische Antworten auf den Klimawandel: Grüner Wasserstoff

Thomas Prinzler: Herr Prof. Rech, welche Rolle spielt Solarenergie für den Klimaschutz?

Prof. Dr. Rech: Ich glaube, die Sonne ist der Schlüssel für die globale Energieversorgung der Zukunft. Wir können das Sonnenlicht in Solarzellen nutzen, in elektrischen Strom wandeln. Wir das Sonnenlicht auch direkt katalytisch in Wasserstoff umwandeln. Dazu laufen die Forschungen allerdings noch. Und wir können aus Sonnenlicht Energie gewinnen und über Elektrolyse dann grünen Wasserstoff herstellen.

Forschung am HZB bedeutet auch Forschung an immer besseren Solarzellen, was bedeutet das konkret?

Prof. Dr. Rech: Ein Schlüssel für die Zukunft ist, den Wirkungsgrad von Solarzellen zu erhöhen. Die heute eingesetzten Solarzellen haben typischerweise einen Wirkungsgrad, der bei ungefähr zwanzig Prozent liegt. Das sind schon sehr gute Module, die Physik erlaubt im Prinzip aber, dass man auch über fünfzig Prozent Wirkungsgrad kommt. Wie wir dahin kommen, erforschen wir am HZB. Wir versuchen durch neue Materialien, die wir auch mit Silizium kombinieren, die Effizienz der Solarzellen zu steigern. Wir arbeiten auch an Konzepten, wie man Solarzellen besser ins Gebäude integrieren kann, um so eine breitere Anwendung von Solarzellen zu ermöglichen. Der Schlüssel dazu sind neue Materialien, die wir hier am HZB erforschen.

Wie sieht das konkret aus. Denken Sie an Solarzellen als Ziegel oder als Bestandteil von Fenstern?

Prof. Dr. Rech: Das Fenster ist problematisch, da wir ja aus Fenstern herausschauen wollen und das Licht auch durch die Fenster ins Gebäude hereinscheinen soll. Die Anwendung in Fassaden ist dagegen sehr gut vorstellbar und wäre eine tolle Anwendung. Es geht uns aber vor allem darum, mit neuen Technologien die Solarkraftwerke der Zukunft zu realisieren. Wenn wir an Themen wie chemische Energiespeicher denken, also etwa an grünen Wasserstoff, dann brauchen wir sehr viel mehr Solarzellen, als heute weltweit installiert sind.

Es gibt eine Wasserstoffinitiative der Bundesregierung, mit deren Unterstützung z.B. hier am HZB die Katalyseplattform CatLab aufgebaut wird. Wasserstoff gibt es schon sehr lange. Woher rührt die neue Begeisterung für Wasserstoff?

Prof. Dr. Rech: Wasserstoff ist ein chemischer Energieträger. Den kann ich verbrennen, den kann ich in der Brennstoffzelle wieder zurück in elektrischen Strom verwandeln. Über CO2 kann ich aus Wasserstoff synthetische Kraftstoffe bauen. Und wenn ich Wasserstoff verbrenne bzw. umsetze, entsteht einfach nur Wasser. Es entsteht kein klimaschädliches Kohlendioxid. Die große Herausforderung ist, diesen Wasserstoff klimaneutral zu erzeugen. Gelingt das, wird von grünem Wasserstoff gesprochen. Und das ist das, was man jetzt erreichen will: Den Wasserstoff so erzeugen, dass dabei kein CO2 freigesetzt wird …

… etwa, wenn man Wasserstoff, wie bislang üblich, aus Erdgas herstellt …

Prof. Dr. Rech: … genau. Wenn man Wasserstoff aus Erdgas herstellt, muss man dafür sorgen, dass das CO2 nicht freigesetzt wird. Man kann zum Beispiel mit Prozessen wie der Pyrolyse, also durch sehr große Wärmeeinwirkung, den Wasserstoff vom Kohlenstoff abtrennen, sodass kein CO2 entsteht.

Die Idee ist jetzt, so ist immer wieder zu lesen, die für die Erzeugung von Wasserstoff notwendige Energie regenerativ über Wind- und Sonnenkraft zu erzeugen, richtig?

Prof. Dr. Rech:  Genau. Man kann Wasserstoff durch Elektrolyse erzeugen. Dafür nutzt man katalytische Prozesse. Zu betonen ist dabei, dass man sehr viel regenerativ erzeugte Energie benötigt. Die Frage ist, ob das alles aus Deutschland kommen kann, oder ob wir auch regenerative Energie importieren werden müssen. In jedem Fall ist es richtig, hierzulande damit zu beginnen.

Wir zeichnen den Podcast in einem Gebäudekomplex auf, in dem sich auch der imposante Elektronenspeicherring Bessy II befindet, der auch eine Rolle bei der Forschung rund um grünen Wasserstoff spielt. Welche?

Prof. Dr. Rech: Der Elektronenspeicherring schickt Licht aus. Wie? Wir schicken Elektronen im Kreis, dort entsteht dann das Synchrotronlicht, das ist Licht mit ganz besonderen Eigenschaften. Im Prinzip ist Bessy II ein großes Röntgenmikroskop, mit dessen Hilfe wir uns auf Nanoebene Materialien ansehen können. Bei der Wasserspaltung und anderen katalytischen Prozessen geht es darum, dass sich im Betrieb die eingesetzten, sehr dünnen Materialien verändern. Mit dem Elektronenspeicherring können wir die Veränderungen diese Dünnschichttechnologien im Betrieb untersuchen. Wir betreiben hier Grundlagenforschung, die allerdings sehr schnell anwendungsrelevant wird.

LNDW Pocast, Folge 11, Dr. Wolfgang Haupt.  Foto: LNDW/LHLK 2021
Dr. Wolfgang Haupt. Foto: LNDW/LHLK 2021

Der Klimawandel als Herausforderung für Städte und Gemeinden

Der Klimawandel betrifft die ganze Welt, sie beschäftigen sich mit dem Klimawandel aber vor allem auf kommunaler Ebene. Warum?

Dr. Haupt: Die Stadt ist hier in einer zentralen Rolle. Sicherlich wird man die Welt, salopp formuliert, nicht alleine auf kommunaler Ebene retten können. Dennoch haben Kommunen Einflussmöglichkeiten, Energiepolitik bzw. Klimapolitik zu gestalten Sie können beispielsweise auf die Energieversorgung Einfluss nehmen, etwa über die Stadtwerke, die ja auch oft in kommunaler Hand sind. Ein wichtiges Feld ist auch die Mobilität, etwa wenn es um Emissionen geht, die der Autoverkehr verursacht. Hier gibt es für Städte ein wichtiges energiepolitisches Handlungsfeld. Ein weiteres klimapolitisches Thema ist die Frage, wie man mit Neubaugebieten umgeht. Sie bieten die Möglichkeit beispielsweise Solardächer in die Stadtfläche zu integrieren, etwa durch die Pflicht, bei Neubauten eine Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) zu installieren. Die Städte können festschreiben, dass auf Neubauten eine Pflicht besteht, PV-Anlagen zu installieren. Eine andere Möglichkeit Klimapolitik auf kommunaler Ebene zu gestalten, besteht darin, Energieeffizienzstandards festzulegen, die über das hinausgehen, was der Bund vorgibt.

Grüner Wasserstoff könnte in der Mobilität eine große Rolle spielen. Sei es bei der Erzeugung von synthetischem Kraftstoff durch Wasserstoff oder direkt als Energiequelle von Fahrzeugen, zur Verfügung gestellt an Wasserstoff-Tankstellen. Ist das etwas, was Sie, Herr Haupt, Politiker mitgeben?

Dr. Haupt: Das klingt alles sehr gut. In unserer Forschung beschäftigen wir uns allerdings vor allem mit klimapolitischen Entwicklungspfaden. Wir schauen also eher zurück statt von vorne. Wir schauen, was hat in Stadt X oder Y funktioniert? Gab es Schlüsselereignisse? Aus der Analyse der Geschichte versuchen wir herauszufinden, ob es da Transferpotenzial gibt. Unsere Vorschläge für die Zukunft ergeben sich also aus dem Blick zurück.

Herr Prof. Rech, was raten Sie der Politik?

Prof. Dr. Rech: Dass man die ganze Kette durchdenken muss: Wir brauchen zuerst viel erneuerbare Energie, damit wir grünen Wasserstoff herstellen können. Wenn wir den grünen Wasserstoff haben, müssen wir ihn möglichst klug einsetzen. Das heißt, wir können ihn zum Beispiel nutzen, um große Industrieprozesse umzusetzen. Bei der Frage der Mobilität ist es so, dass je schwerer ein Fahrzeug ist, desto besser fährt es mit Wasserstoff statt mit Batterien. Bei längeren Strecken im Individualverkehr ist es auch sicher so, dass ein Wassersstoff-betriebenes Auto besser ist als ein Batterie-betriebenes. Zudem besteht ja die Möglichkeit, über synthetische Kraftstoffe, die Verbrenner-Fahrzeuge, die wir heute fahren, die auch weiter nutzen zu können. Die Umstellung der konventionelle Fahrzeugflotte auf Fahrzeuge mit regenerativen Energiequellen erstreckt sich ja sicher auch über Jahrzehnte.

Ein Forschungsprojekt, an dem Sie Herr Dr. Haupt beteiligt sind, ist ExTrass. Sie untersuchen darin, wie sich Städte auf extreme Wetterereignisse wie Hitze und Starkregen einstellen bzw. anpassen. Ein wichtige Rolle dabei spielt Potsdam. Was untersuchen Sie dort?

Dr. Haupt: Die Folgen des Klimawandels können alle Städte betreffen, etwa durch Starkregenereignisse. Wie Städte mit Starkregen umgehen, hängt u. a. davon ab, wie sie mit der Versiegelung ihrer Flächen umgehen. Potsdam steht, was das betrifft, vergleichsweise gut da. Es ist eine grüne Stadt, in der es viel Aufnahmekapazität für Wasser gibt, um mit solchen Ereignissen umzugehen. Andrerseits gibt es auch immer häufiger Hitzeereignisse und dafür ist wichtig, wie man mit urbanen Hitzeinseln umgeht. Das betrifft Potsdam schon eher. Wenn man beispielsweise am Neuen Markt im Hochsommer steht, dann merkt man, er heizt sich aufgrund der Versiegelung dort schon sehr auf. Es gibt wenig Schattenspender und es bleibt auch lange heiß. Man kann aber auch wenig machen, da es ein denkmalgeschützter Bereich ist.

Geht Denkmalschutz vor Klimaschutz? Sie schauen ja in die Vergangenheit, um Ideen zu entwickeln, mit denen Politiker und Stadtplaner sich auf den Klimawandel einstellen können.

Dr. Haupt: Es gibt kleinere Maßnahmen, die man durchführen kann. Allerdings nicht in einer historischen Altstadt wie der von Potsdam. Da muss man schon in andere Stadtteile gehen. Ein Beispiel ist die Gartenstadt Drewitz, das zu einem Null-Emissions-Quartier umgebaut wird. Dort wird auch gegen Überhitzung angegangen, etwa durch Fassadenbegrünung. Das sind Mikromaßnahmen, um die Verweilqualität zu erhöhen. In anderen Projektstädten wurden Trinkbrunnen aufgestellt. Das sind oft kleine Maßnahme, die aber dem Schutz besonders vulnerabler Gruppen dienen, etwa in Quartieren mit einem hohen Anteil von Senioren.

LNDW Pocast, Folge 11, Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Foto: LNDW/LHLK 2021
Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben, Foto: LNDW/LHLK 2021

Dem Klimawandel durch soziale Veränderungen begegnen

Wir sehen, es geht beim Klimaschutz immer auch um Menschen. Frau Prof. Dr. Melanie Jaeger-Erben das ist ihr Forschungsgebiet. Sie beschäftigen sich damit, wie wir uns klimafreundlicher verhalten können.

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Alles, worüber wir hier sprechen, hat mit dem Menschen zu tun. Es handelt sich ja um einen vom Menschen gemachten Klimawandel. Ob es um technologische Entwicklungen oder um politische Steuerung geht, es handelt sich um menschliche Praktiken, die Auswirkungen auf den Klimawandel hatten und haben. Wir haben damit den Bedarf an Energie und Ressourcen extrem vervielfacht. Wenn wir das jetzt ändern wollen, ist das immer auch eine Frage, wie wir kulturelle Praktiken und Werte verändern.

Ökologischer Fußabdruck

Die Umweltorganisation Global Footprint Network berechnet alljährlich wie viele Erden die Menschheit mit ihrem Konsum verbraucht. Weltweit liegt der Verbrauch derzeit bei 1,3 Erden. Würden alle Menschen so leben wie wir Deutschen wäre es sogar 3 Erden. Wie können wir das ändern?

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Bei diesen Zahlen gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass es global sehr große Unterschiede gibt. Was wir dabei nicht tun sollten, ist, die Zahlen auf den einzelnen Bürger herunterzurechnen. Also zum Beispiel „Du als Deutsche oder Deutscher hast den und den Footprint“. Einen Teil produzieren wir davon zwar selbst durch unser Handeln. Jeder Flug haut da ziemlich rein. Und auch, wenn ich jeden Tag ein Schnitzel auf dem Teller habe, ist mein ökologischer Fußabdruck auch ziemlich hoch. Ein großer Teil dieser Zahlen geht aber auch Infrastrukturen zurück. Deswegen ist es wichtig, auch vom ökologischen Fußabdruck von Strukturen zu sprechen. Jeder in der Runde hier weiß, wie schwer sich Strukturen wie etwa der Energiemix verändern lassen. Aber das ist das dicke Brett, dass wir alle gemeinsam bohren müssen.

Ich würde gerne trotzdem auf den Einzelnen zurückkommen. Jeder von uns kauft beispielsweise sehr viel Elektrogeräte wie etwa einen Billigtoaster, der dann relativ schnell wieder das Zeitliche segnet. Allein in Deutschland fallen jährlich 1,9 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Ist das nur die Menge, die durch den privaten Gebrauch anfällt oder kommt diese Zahl auch durch die von Ihnen angesprochenen Strukturen zustande?

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Das ist ein Konglomerat verschiedener Verursacher. Allerdings verursacht auch jeder Deutsche rund 18 Kilogramm Elektroschrott pro Jahr. Das ist schon sehr viel. Die Zahl nimmt zwar in den letzten Jahr ab. Das Problem wäre weniger groß, wenn mehr recycelt würde. Wir haben nur eine Recycling-Quote von rund sechzig Prozent. Beim Kauf von Geräten wird noch immer meist nicht auf ihre Langlebigkeit geachtet. In der Hälfte aller Fälle werden neue Elektrogeräte angeschafft, obwohl das alte Geräte noch genutzt werden kann.

Geplante Obsoleszenz

Sie untersuchen auch die „geplante Obsoleszenz“, von der alle Leute sagen, dass die Hersteller die Geräte extra so bauen, dass sie nach Ende der Garantiezeit kaputtgehen. Ihre Untersuchungen bestätigen das aber nicht, richtig?

Prof. Dr. Jaeger-Erben: Genau. Die Erzählung von der Sollbruchstelle der Geräte gibt es bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese Geschichten haben zum Teil einen wahren Kern, etwa wie beim Glühbirnenkartell, das verabredete, wie lange Glühbirnen halten sollten. Durch die Verabredung hielten manche Glühbirnen nicht mehr so lange wie zuvor. Zugleich gab es aber auch technische Veränderungen, die etwa die Leuchtfähigkeit der Birnen verbesserten. Fast alle Geschichten kann man in solch unterschiedliche Blickwinkel zerlegen. Häufig wecken Unternehmen ja auch einfach nur das Bedürfnis, das neue Modell eines Gerätes zu kaufen. So ist unsere Art des Wirtschaftens angelegt. Viele Geräte werden daher gar nicht erst nach Robustheit und Langlebigkeit ausgelegt. Im Vordergrund stehen häufiger Fragen des Designs und des Marketings. Für viele Menschen ist das auch in Ordnung. Man möchte zwar kein Gerät haben, dass leicht kaputtgeht, es muss aber auch nicht ewig lange halten.

Reparieren – eine Kulturtechnik, die es wiederzubeleben gilt

Es gibt mittlerweile aber auch eine Gegenbewegung von Menschen, die versuchen, möglichst nur gebrauchte Geräte und Dinge zu kaufen. Und notfalls auch selbst zu reparieren. Ich selbst bin in einem Haushalt groß geworden, in dem noch viel repariert wurde. Ich selbst muss gestehen, kann das nicht mehr so gut.

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Reparieren war lange Zeit ein wichtiger Teil des Alltags von Menschen. Auch das Pflegen und Warten waren Kulturtechniken, die weitergegeben wurden an die nächsten Generationen. Das hat sich mit der Massenverfügbarkeit von Waren geändert. Es wurde immer leichter, etwas Neues zu kaufen. Heute ist dafür fast nur noch ein Klick notwendig. Umgekehrt ist das Reparieren sehr schwer. Es ist auch nicht so präsent im Leben der Menschen. Viele stellen sich daher nicht einmal mehr die Frage, ob sie ein Gerät auch reparieren könnten. Das hängt damit zusammen, dass das Wissen, dass und wie man Geräte reparieren kann, nicht mehr so stark wie früher vermittelt wird. Andrerseits fehlt auch meist einfach der Laden um die Ecke, der Reparaturen durchführt macht. Etwas reparieren zu lassen, ist meist sehr aufwändig. Die meisten Leuten verzichten daher sogar darauf, sich auch nur einen Kostenvoranschlag für eine Reparatur einzuholen.

Man findet im Internet mittlerweile aber auch viele Reparatur-Tipps und -Anleitungen. Wenn man das ausprobiert, merkt man schnell: Das kostet Zeit.

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Diese rein ökonomische Sicht ist aber auch gefährlich. Wir haben ein Projekt mit Bürgerinnen und Bürgern gemacht, die selbst repariert haben. Sie sollten sich dabei auch selbst beobachten und schauen, was das Reparieren mit ihnen macht. Und da passiert einiges: Zum einen hat man eine Selbstwirksamkeitserfahrung, es ist ein gutes Gefühl, etwas selbst repariert zu haben. Zum anderen bringt so eine Reparatur das Produkt einem auch näher, man versteht besser, wie es funktioniert. Wir haben ja immer mehr Produkte um uns herum, die wie eine Black Box sind und einem das Gefühl vermitteln, dass man sich nicht mehr auskennt. Ein Leitspruch der Reparaturbewegung ist: „If you can’t fix it, you don’t own it“ („Was du nicht reparieren kannst, gehört dir nicht.“) Da ist viel dran. Weil man zu einem reparierten Gerät eine ganz andere Beziehung hat.

Ist das der Grund, warum es immer mehr Repair-Cafés gibt, wo man gemeinsam etwas macht?

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  So eine Kompetenzinfrastruktur kann helfen, Wissen gegenseitig zu teilen. Neben den Effekten, dass man selbstwirksam ist, sich einem Produkt näher fühlt und man sich gegen die Abfall-Lawine eingebraucht hat, hat man mit solchen Initiativen auch einen sozialen Zusammenhalt. Man gibt gemeinsam Kompetenzen weiter, vermittelt aber auch das Gefühl, gemeinsam an etwas Höherwertigem zu arbeiten.

Prof. Dr. Rech: Wir sitzen hier ja am Elektronenspeicherring Bessy II. Das ist auch ein elektronische Gerät, dass seit über 20 Jahren funktioniert. Es muss immer auf dem neuesten Stand der Technik sein und immer weiterentwickelt, aber auch immer am Leben gehalten werden. Wir haben hier also eine sehr lebendige Kultur des Weiterentwickelns und des Reparieren, um Spitzenforschung zu ermöglichen.

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Genau diese Wissensgemeinschaften bilden sich auch in Repair-Cafés. Wir haben das mal miteinander verglichen: Der Prozess des Reparierens ist auch ein Forschungsprozess: Man sucht nach Fehlern, man experimentiert mit verschiedenen Lösungsvarianten, man integriert Wissen. Das ist auch eine Forschungsgemeinschaft, nur eben Bürgerforschung.

LNDW Pocast, Folge 11, Thomas Prinzler.  Foto: LNDW/LHLK 2021
Thomas Prinzler. Foto: LNDW/LHLK 2021

Kompetenzen bündeln

Das scheint mir eine Gemeinsamkeit zwischen Ihnen drei zu sein: Kooperation.

Prof. Dr. Rech: Wissenschaft lebt von Kooperation, über Wissensdisziplinen hinweg. Man muss inter- und transdisziplinär zusammenarbeiten. Man braucht die verschiedenen Kompetenzen und darauf entsteht dann plötzlich etwas ganz Neues.

Gilt das auch für Städte?

Dr. Haupt:  Unbedingt. Wenn Städte sich verändern wollen, ist es sinnvoll nach anderen Städten zu schauen, die gleichgesinnt sind. Man sucht sich Städte, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen und versucht, sich mit ihnen zusammenzuschließen.

Sie haben an Ihrem Institut untersucht, wie Städte zu Vorreitern in der Klimapolitik und offenbar gibt es dabei Vorreiter. Richtig?

Dr. Haupt:  Ja, aber es gibt auch Städte im Mittelfeld sowie solche, die abwarten oder Nachzügler sind. Es ist aber nicht gottgegeben, dass das jeweils so bleibt. Nach Wahlen werden zum Beispiel mitunter andere Prioritäten gesetzt. Es gibt daher eine große Dynamik zwischen den Städten. Es wäre daher wichtig, davon wegzukommen, immer nur auf die Vorreiter zu schauen. Die entwickeln mitunter ja auch Beispiele, die auf die Mehrheit der Städte nicht übertragbar ist. Städte haben oft ganz andere Voraussetzungen, etwa was Größe und Bevölkerungsstruktur angeht. Es klappt besser, wenn Städte voneinander lernen, die sich ähnlich sind.

Ist Berlin eine Vorreiterstadt oder eher ein Nachzügler?

Dr. Haupt: Da muss ich an das anknüpfen, was ich eben versucht habe zu sagen: Wie viele ähnliche Städte wie Berlin gibt es in Deutschland? Wo finden wir ähnliche Rahmenbedingungen? Man müsste da also kleinteiliger vorgehen und sich etwa Quartiere anschauen in Berlin. Es passiert einfach sehr selten, dass ein Best Practice in Stadt A dazu führt, dass das Beispiel auch in Stadt B umgesetzt wurde.

Bleiben wir dennoch bei Berlin. Wie bedeutet die Stadt für Sie als Forschungsstandort?

Prof. Dr. Rech: Berlin als Forschungsstandort ist unheimlich bunt und sehr vielfältig sowie in ganz vielen Bereichen an der nationalen und europäischen Spitze – mit einer weltweit hohen Sichtbarkeit. Durch Zusammenarbeit können wir noch mehr erreichen. Ich denke etwa an die Berlin University Alliance. Wir müssen versuchen, ein paar Mauern des Denkens einzureißen, ich sehe hier ein unglaubliches Potenzial, aber auch eine unglaubliche Verantwortung. Die Lange Nacht der Wissenschaften ist auch ein Beispiel, das uns aufgefordert, das Untereinander der Wissenschaften zu leben, aber eben auch die Bevölkerung mitzureißen.

Herr Dr. Haupt, Sie arbeiten in Erkner, das gehört zwar zu Brandenburg, ist aber in den Berliner Forschungsbereich miteinzubeziehen.

Dr. Haupt: Ich finde es wichtig, dass man hier das Zusammenspiel von Berlin und dem Großraum Berlin sieht. Wir haben in Potsdam eine sehr große Uni. Wir haben mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein sehr renommiertes Institut. Wir haben zahlreiche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und vieles mehr. Ich selbst lebe wie viele meiner Kollegen und Kolleginnen in Berlin. Da gibt es viel Austausch.

Prof. Dr. Jaeger-Erben:  Bei uns ist es so, wenn wir nach Forschungspartnerinnen und -partner schauen, dass wir nicht im „Berlin-Sumpf“ bleiben. Es ist verlockend, dass man denkt, hier habe ich ja alles, da brauche ich niemand anderen mehr. Es ist aber wichtig, weiter zu netzwerken. Wir arbeiten auch viel mit außeruniversitären Gruppen, da ist es wichtig, auch einmal aufs Land zu gehen. In unserer Forschung wollen wir immer eine große Diversität haben. Innerhalb Berlins kann da noch viel getan werden, um Wissenschaft zu öffnen.

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