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LNDW-Podcast, Folge 9: Leben in der Stadt der Zukunft", hinten: Roboterplattform Myon, Gäste der Sendung: Anne-Caroline Erbstößer (Technologie Stiftung Berlin), Prof. Dr. Manfred Hild (Beuth Hochschule für Technik Berlin), Axel Schultz (Siemens AG)

Im Hintergrund zu sehen ist die humanoide Roboterplattform "Myon". Bildrechte: "Myon": Forschungslabor Neurobotik, Berlin (http://neurorobotik.de/robots/myon_de.php), Foto Erbstößer: Technologiestiftung Berlin, Foto Hild: Forschungslabor Neurorobotik, Foto Axel Schultz: Siemens AG. Collage: LNDW.

"Sprechen mit Häusern & Robotern − leben in der Stadt der Zukunft" (Folge 9)

Weltweit zieht es mehr und mehr Menschen in die Städte. Die stehen vor der Herausforderung, sich auf dieses Wachstum sowie den Klimawandel einzustellen, um lebenswert zu bleiben. So hat sich beispielsweise Berlin zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Erreicht werden soll dieses Ziel unter anderem durch eine umfassende Digitalisierung von Gebäuden. Die dann smarten Häuser managen den Energiebrauch und sind in der Lage, sich mit anderen Häusern zu intelligenten Quartieren bzw. zur smarten City zu verbinden. Über die Vor- und Nachteile dieses Zukunftsmodells sowie die Frage, welche Rolle Roboter dabei spielen könnten, hat Moderator Thomas Prinzler sich mit diesen Gästen unterhalten:

Folge anhören in der Inforadio Audiothek

Aufgrund des Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie fand die Aufnahme Ende Januar 2021 komplett remote statt. Die Gäste wurden per App ins Studio des rbb Inforadios geschaltet.

Anne-Caroline Erbstößer, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Technologiestiftung Berlin
Anne-Caroline Erbstößer, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Technologiestiftung Berlin, Foto: Technologiestiftung Berlin

„Das große Thema der Städte ist der Klimaschutz“

„Wir werden 2050 die Hälfte der Menschheit in den Städten haben“, sagt Anne-Caroline Erbstößer, Diplom-Ingenieurin für Innenarchitektur und Architektur und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Technologiestiftung Berlin, „da die Menschen in ihnen Sicherheit vor den Folgen des Klimawandels suchen.“ Ziel müsse es sein, in der Stadt zukünftig genau so viel Energie zu erzeugen, wie wir verbrauchen. „Und da sehe ich vor allem intelligente, smarte Gebäude in der Pflicht“, so Erbstößer. Smarte Gebäude zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass sie ihren Bewohner*innen optimierte Heizleistungen anböten. Voraussetzung dafür sei eine umfassende Vernetzung der dafür notwendigen technischen Anlagen. Dadurch werde zugleich ein nachhaltiges Energiemanagement ermöglicht, etwa durch den Einbezug lokaler Energieerzeugungsquellen wie Solarstrom auf dem eigenen Dach.

Smarte Häuser böten ihren Bewohner*innen daher auch mehr Möglichkeiten, das Energiemanagement ihrer Wohnungen und Häuser mitzugestalten. „Ein schönes Beispiel dafür ist das Projekt „Futur Living“ in Berlin Adlershof“, erläutert Erbstößer. „Dort wird ein sogenanntes Plus-Energie-Quartier geschaffen, wo die Mieter*innen die vor Ort erzeugte Energie auch selbst verbrauchen. Überschüssige Energie wird gespeichert und kann nachhaltig eingesetzt werden. Zudem gibt es zahlreiche smarte Services. So löst bspw. ein digitaler Pförtner im Falle eines Unfalls oder einer Havarie automatisiert eine Rettungskette aus oder kann Wohnungen schlüssellos öffnen. Im Rahmen des Projekts wird auch erforscht, wie die smarten Dienste im Zusammenspiel im Alltag funktionieren.“

Es gelte, schließt Erbstößer, die Chancen der digitalen Technologen zu nutzen, um mit ihrer Hilfe den Wandel der Städte zu gestalten. Wichtig ist ihr hierbei, dass sich durch die smarten Technologien den Bürgern auch mehr Möglichkeiten eröffnen, beim Thema Energie selbst mitzugestalten, etwa über Bürgergenossenschaften.

 

Prof. Dr. Manfred Hild, Beuth Hochschule für Technik Berlin
Prof. Dr. Manfred Hild, Beuth Hochschule für Technik Berlin, Foto: Forschungslabor Neurorobotik

„Was brauchen wir wirklich und was macht Sinn?“

„Meine Hoffnung ist, dass die Bürger in der Stadt der Zukunft nicht durch technischen Schnickschnack entmündigt werden“, sagt Prof. Dr. Manfred Hild von der Beuth Hochschule für Technik Berlin. An smarten Technologien, die vor allem auf Vernetzungen aufbauen, stört ihn zweierlei: „Zum einen können Leute, die es wirklich böse meinen, damit Daten abgreifen und Meinungen bilden. Das ist schwer zu kontrollieren. Zum anderen geht damit eine Entmündigung einher. Die Menschen sollten zu jedem Zeitpunkt entscheiden können, ob sie auf die Technik zurückgreifen oder nicht.“

Als Studienfachberater des Studiengangs humanoide Roboter arbeitet er mit seinen Student*innen an Projekten, in denen die Interaktion zwischen Mensch und Roboter einen wichtigen Raum einnehmen – und das schon im Engineering. Im Projekt RoSen erforschen Student*innen der Beuth Hochschule daher mit Senior*innen aus betreuten Wohnanlagen der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG, welche Roboter-Anwendungen für ältere Menschen überhaupt sinnvoll wären. Erarbeitet werden soll die neue Anwendung auf der Basis der Roboterplattform Myon (im Titelbild im Hintergrund zu sehen an einer Haltestelle der Berliner Straßenbahn), einem humanoiden Roboter mit zwei Beinen, zwei Armen und einem Kopf (mit einem Auge).

„Es geht im Projekt nicht in erster Linie darum, eine supersinnvolle Anwendung zu entwickeln, damit der Roboter den Senior*innen das und das abnimmt“, so Prof. Hild. „Es geht vor allem darum, zu schauen, wie sich die Ingenieur*innen von morgen mit den Anwender*innen austauschen, um herauszufinden, was brauchen wir wirklich und was macht Sinn.“ Die Senior*innen sind daher nicht einfach nur Interviewpartner, sondern sollen helfen, den Roboter besser zu machen, indem sie ihn aktiv im Alltag ausprobieren - der Roboter lernt also mit seinen Anwender*innen.

Axel Schultz, Sprecher der Siemens AG Niederlassung Berlin/Brandenburg
Axel Schultz, Sprecher der Siemens AG Niederlassung Berlin/Brandenburg, Foto: Siemens AG

„Wenn wir uns diesen Mega-Trends verweigern, verschlafen wir unsere Chance, damit in Europa einmal klimaneutral zu werden.“

Für Axel Schultz, Sprecher der Siemens AG Niederlassung Berlin/Brandenburg sind es vor allem zwei Themen, die die Stadt Zukunft prägen werden: „Die Bewusstheit und Lebensfreude, in einer Stadt sowie die Resilienz einer Stadt. Bewusstheit und Lebensfreude betrifft Dinge wie das Zusammenleben dreier Generationen in einer Stadt, das Schaffen neuer Arbeitswelten sowie Kunst und Kultur. Zudem hat jede Stadt ihre eigene DNA, daher gilt es immer auch Antworten auf die Frage zu finden, wie wir Tradition und Moderne miteinander verbinden. Verbindet man diese Punkte mit der Anforderung nach einer resilienten Stadt, ist man sehr schnell beim Thema Technik: Ich brauche eine gut funktionierende Mobilität, eine saubere Luft, es geht um die Sicherheit der Menschen sowie die Frage der Energie- und Gesundheitsversorgung, wozu dann auch intelligente Gebäude und intelligente Mobilität in einer Stadt gehören.“

Die Siemens AG konzentriere sich bei der Entwicklung smarter Gebäude und intelligenter Quartiere derzeit vor allem auf drei Aspekte: 1.) Gebäude und Nutzer sollen miteinander interagieren agieren können, sei es beim berührungslosen Zutritt oder der Frage, wie man einen Büroarbeitsplatz flexibel im Vorfeld mieten kann, um die Nutzung gerade von Büroflächen flexibler zu gestalten. 2.) Alle Komponenten, die für den Bau und Betrieb eines Gebäudes wichtig sind, werden digital durch sogenannte „digitale Zwillinge“ abgebildet. Das ermöglicht es, ein Gebäude über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg digital zu managen, sodass sich alle Abläufe effizient gestalten lassen. 3.) Das Thema Nachhaltigkeit rückt in den Vordergrund. Das beginnt beim Bau mit nachhaltigen Werkstoffen wie Holz und reicht bis hin zur Ausstattung von Gebäuden mit Photovoltaik-Anlagen. Die Gebäude der Zukunft werden nicht mehr nur Energie verbrauchen, sondern auch selbst erzeugen, sie werden zu sogenannten „Prosumenten“.

In der Gemeinde Wunsiedel im Fichtelgebirge beteilige sich die Siemens AG derzeit an einem Projekt, bei dem alle vorhandenen Energiesysteme des Ortes vernetzt werden, um das volle Potenzial von Sonne, Wind und Biomasse auszuschöpfen. Aus Sicht der Industrie komme bei der Energieversorgung in Zukunft hinzu, dass man den industriellen Stromverbrauch auch an das „Energiewetter“ anpassen können müsse. Der Begriff beschreibt die von der Wetterlage abhängige Menge an Strom durch regenerative Energiequellen wie Solar- und Windenergie. Im Projekt WIndNode, an dem sich Siemens ebenfalls beteilige, werde derzeit erforscht, wie man die industrielle Produktion so gestalten könne, dass Lastspitzen wirtschaftlich verträglich zu verschieben sind.

Das in Berlin derzeit größte Zukunfts-Projekt ist die geplante Siemensstadt 2.0 mit einem Investitionsvolumen von rund 600 Millionen Euro. Bis 2030 soll auf dem historischen Areal der Siemensstadt in Spandau ein Innovationscampus für Wohnen, Arbeiten und Lernen entstehen. „Wir wollen dort den Ursprung von Siemens, die DNA, die ganz eng verknüpft ist mit Berlin, zeigen“, so Schultz. „Wir wollen hier die Vorreiterrolle der Interaktion zwischen Smart Buildings und einem lokalen Verteilnetz aufzeigen und realisieren. Um damit auch aufzuzeigen, wie sich die CO2-Bilanz in Städten verbessern lässt.“

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