V.l.n.r.: Thomas Prinzler, Torsten Lipski, Prof. Dr. Gwendolyn Sasse, Stefan Gotthold, Josef Zens, Foto: LNDW/LHLK 2020
Folge direkt anhören in der Inforadio Audiothek
Der Podcast wurde aufgezeichnet im Zeiss-Großplanetarium der Stiftung Planetarium Berlin.
Der gelernte Zeitungsjournalist und Diplom-Geograf Josef Zens leitet seit 2016 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, Helmholtz-Zentrum Potsdam. In zahlreichen Beiträgen hat er bereits die Rolle der Medien in der Wissenschaftskommunikation kritisiert. „Der Journalismus ist zu sensationsgierig. Selbst renommierte Zeitungen und Medien laden viel zu oft Menschen nur deshalb ein, weil sie gegen den Mainstream sind − der Kontroverse und des Streits zuliebe. Aus Sicht der Wissenschaft würde ich mir wünschen, dass da sorgfältiger ausgewählt wird.“ Der Versuch, ständig 360 Grad rundum zu berichten und möglichst alle Meinungen abzubilden, seien sie auch noch so unsinnig, werde in der Wissenschaftskommunikation als „false balance“ bezeichnet. Es mache aber keinen Sinn, Positionen ein Forum anzubieten, die wissenschaftlich nicht haltbar seien. Das GeoForschungsZentrum beteilige sich daher beispielsweise nicht mehr an Diskussionen mit Leugnern des Klimawandels.
Die Suche nach Kontroversen sei für den Journalismus wie eine Droge – deren Konsum hinsichtlich des ökonomischen Drucks des Journalismus heute allerdings auch nachvollziehbar. Dennoch sollte es in der Wissenschaftskommunikation darum gehen, Menschen in einer sachlichen Form zu erreichen und zu informieren. Gleichwohl spricht sich Zens dafür aus, dass Wissenschaftskommunikation nicht stets ausweisen müsse, wie langwierig und komplex wissenschaftliche Erkenntnisse errungen werden. „Der Weg ins Hirn führt übers Herz“. Statt von „didaktischer Reduktion“ spricht Zens daher auch lieber von „didaktischer Anreicherung“. „Es geht nicht darum, Dinge einfacher darzustellen, sondern verständlicher.“ Und das sei immer auch eine hohe Kunst.
Torsten Lipski unterrichtet Geschichte und Politikwissenschaften, Sozialkunde sowie Chemie an der Lise-Meitner-Schule OSZ für Naturwissenschaften. Zudem verantwortet er den Bereich Gesellschaftswissenschaften und bildet Referendare für die Fächer Geschichte und Politik aus. Welche Folgen es hat, dass die Medien ihre Debatten und Beiträgen auf Kontroversen anlegen, erlebt er in der Schule: „Die populistischen Debatten und Positionen aus den Medien übernehmen häufig auch Schüler*innen im Sozialkunde-Unterricht. Das ist für sie leichter, erschwert aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit komplexeren Themen wie etwa dem Asylrecht.“
Die Frage, ob Schüler*innen anfälliger für Fake-News und Verschwörungstheorien sind, beantwortet Lipski mit einem „Ja“. Das liege unter anderem am Medienverhalten von Schüler*innen, die sich viel häufiger über Soziale Medien als über klassische Zeitungen und Medien informieren. Die Schule habe aber zugleich immer auch den Vorteil, es mit Lernenden zu tun zu haben, die noch offen seien für neue Gedanken und Anregungen. Daher gehe es in der Schule vor allem darum, „dass Schüler*innen wissenschaftliche Methoden erlernen, um so auch in öffentlichen Debatten erkennen können, dass es um einen wissenschaftlichen Diskurs und nicht um einen persönlichen Streit geht.“
Prof. Dr. Gwendolyn Sasse steht dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) seit 2016 als wissenschaftliche Direktorin vor. Für ihr Institut „ist Wissenschaftskommunikation vor allem Kommunikation über die von uns empirisch erhobenen Daten. Dazu gehört dann auch, den Prozess der Datenerhebung aufzublättern, über Methoden zu sprechen und die Ergebnisse an verschiedene Zielgruppen auch unterschiedlich zu vermitteln.“ Sasse berichtet in der Sendung darüber, dass ihr und ihren Mitarbeiter*innen von den Medien häufig nur ein kurzes Zeitfenster eingeräumt wird, über ihre Forschungen zu sprechen. Meist sei das der Fall, wenn es in Osteuropa eine Krise gäbe.
Bei den Sozial- und Geisteswissenschaften komme hinzu, dass sie oft erst darlegen müssten, dass sie mit ihren Arbeiten keine politischen Meinungen abbilden, sondern mit fundierten wissenschaftlichen Methoden empirisches Material bereitstellen. Es hänge in der Wissenschaftskommunikation aber ohnehin nicht alles davon ab, ob man die eigene Arbeit in einen Zeitungsartikel oder Rundfunkbeitrag hineinbekomme. „Man kann auch über eigene Veranstaltungen ein Publikum gewinnen. Wir machen das etwa im ZOiS über Veranstaltungen, die einen kulturellen Einstieg ermöglichen, etwa einen Dokumentarfilm oder eine Lesung.“
Stefan Gotthold ist verantwortlich für die Archenhold-Sternwarte der Stiftung Planetarium Berlin sowie kommissarischer Leiter des Bereichs Bildung und Pädagogischer Mitarbeiter. Die Stiftung Planetarium bezeichnet ihre Angebote bewusst als „Wissenschaftstheater“. Die Aufgabe der Wissenschaftskommunikation sei es, „wissenschaftliche Fakten so aufzubereiten, dass sie verständlich sind.“ Die Wissenschaft selbst müsse sich zwar an Regeln halten, um zu Erkenntnissen zu gelangen, das bedeute aber nicht, dass sie immer nur ernst zu sein habe. Die Stiftung verfolge daher den Anspruch, dass ihre Veranstaltungen unterhaltsam sind. Die Menschen sollten allerdings nach der "Show" nicht nur mit einem Lächeln gehen, sondern auch etwas mitnehmen und gelernt haben.
Hoffnungen, Menschen zu erreichen, die Verschwörungstheorien anhängen wie der, die Erde sei eine Scheibe, hat Gotthold nicht. Verschwörungsfragen seien „häufig Glaubensfragen. Daher gelingt es auch nicht, deren Anhänger mit wissenschaftlichen Fakten zu überzeugen. Was mich aber stört, sind die oft viel zu vielen Daumen-hochs unter entsprechenden YouTube-Videos.“ Sein persönliches Ziel sei es, mit der Arbeit der Stiftung diese Zustimmung für Fake-News und Verschwörungserzählungen auf ein Minimum herabzubringen.
In der Sendung wird angesprochen, dass rund 60 Prozent der Menschen in Deutschland Wissenschaft und Forschung vertrauen, 30 Prozent sind unentschieden und 10 Prozent gehören eher zu den Wissenschaftsskeptikern. Die Zahlen stammen aus der Studie Wissenschaftsbarometer 2020 von Wissenschaft im Dialog, einer Initiative der Deutschen Wissenschaft: „Wissenschaft im Dialog engagiert sich für die Diskussion und den Austausch über Forschung in Deutschland. Wir organisieren Dialogveranstaltungen, Ausstellungen und Wettbewerbe und entwickeln neue Formate der Wissenschaftskommunikation.“
March for Science: − „Wir sind Vereinigung von Menschen, denen Wissenschaft wichtig ist. Wir sind unabhängig von Institutionen, Parteien und wirtschaftlichen Zwängen und dadurch frei von Interessenkonflikten.“
Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik): „Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation vermittelt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden und professionellen Öffentlichkeitsarbeiterinnen und Öffentlichkeitsarbeitern die Grundlagen guter Wissenschaftskommunikation.“ (Zum Teil kostenpflichtiges Angebot)
Portal Wissenschaftskommunikation: „Wissenschaftskommunikation.de ist ein gemeinsames Portal von Wissenschaft im Dialog (WiD) mit dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) und dem Lehrstuhl von Annette Leßmöllmann am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).“